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Horner-Schema, Quotientenpolynome und VK-Zinsfaktoren eines Zahlungsstroms

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Rudolf Pleier
Februar 2022

 

Die Beurteilung eines Zahlungsstroms \(\mathbf{X} \in \mathbb{R}^{n+1}\) hinsichtlich seiner Vorteilhaftigkeit mit Hilfe der klassischen Methode des internen Zinssatzes (MIZ) verwendet einen festen, für alle Zinsperioden [k-1,k] (k = 1,…,n) der Laufzeit \(n \in \mathbb{N}\) kon­stan­ten und nicht (in Haben- und Sollzinsfaktor) gespaltenen Kalkulationszinsfaktor qqK > 0 und einen ebenfalls auf die Zinsperioden bezo­genen einzelnen internen Zinsfaktor q0 = qint(X) des Zahlungsstroms X. Als ein eingeschränkter Anwendungsbereich dieser MIZ wird in der Literatur gerne die Menge der Verrechnungskonto-Zahlungsströme (VK-Zahlungsströme, sog. isoliert durchführbare Zahlungsströme) X angegeben, die jeweils auf einem Konto mit qint(X) als Kontozinsfaktor verrechnet werden können, sodass die Kontostände Cj während der Laufzeit keinen Vorzeichenwechsel aufweisen und der Kontoendstand Cn gleich Null ist. Für diese VK-Zahlungsströme X ist die MIZ konsistent zur Kapitalwertmethode (KWM) und der jeweilige interne Zinsfaktor qint(X) auch noch ökonomisch interpretierbar als der Kontozinsfaktor eines Verrechnungskontos. Bei der näheren Untersuchung der VK-Zahlungsströme X bzw. der zugehörigen Endwertfunktionen En(X,q) trifft man auf die Begriffe Quotientenpolynome, Horner-Schema und Horner-Schema-Polynome, die hier nachfolgend und in der PDF-Datei eingehender behandelt werden. Insbesondere wird auch eine Aussage über die Vielfalt der Verrechnungskontozinsfaktoren (VK-Zinsfaktoren) eines Zahlungs­stroms hergeleitet.                       

Zum Anwendungsbereich der MIZ mit der ihr eigenen Verwendung eines einzelnen internen Zinsfaktors ist anzumerken, dass dieser noch auf die Menge der NU- und NF-Zahlungsströme (Definition bei Pleier 2021, S. 293, 301) erweitert werden kann. Dabei wird bei der Begründung der MIZ für die NU-Zahlungs­ströme aber schon deutlich, dass hierbei tatsächlich die Vielfachheiten der internen Zinsfaktoren eine entscheidende Rolle spielen. Eine genauere Untersuchung dieses Gesichtspunkts führt dann zu einer auf ganz \(\mathbb{R}^{n+1}\) universell anwendbaren Verallgemeinerung der Methode, nämlich zur ‚Methode der Vielfachheiten der internen Zinsfaktoren (MVIZ)‘. Damit ist das Mysterium des eingeschränkten Anwendungsbereichs der Methode des internen Zinssatzes gelöst.     

 

1     Horner-Schema und Quotientenpolynome

Ausgangspunkt der Betrachtungen ist ein Polynom Pn(q) n-ten Grades, das finanzmathematisch als Endwert­funk­tion En(q) =En(X,q) eines Zahlungsstroms X (X0,X1,…,Xn)T \( \in \mathbb{R}^{n+1}\) (X0  0) zum Kalku­la­tions­zins­faktor q angesehen werden kann:  

                        Pn(q) = En(q) En(X,q) = X0qn + X1qn-1 +... + Xn-1q + Xn

Der Polynomwert Pn(q) kann hinsichtlich des Rechenaufwands effizienter rekursiv mittels des sog. Horner-Schemas und der zugehörigen j-ten Horner-Schema-Poly­nomwerte Ej(q) berechnet werden:

                        E0(q) = X0,

                     Ej(q) = Ej-1(q)q + Xj                                   (= 1,…,n),

                        Pn(q) = En(q) = (…((X0q + X1)q + X2)q + …)q + Xn.

Die Horner-Schema-Polynome Ej(q) können dabei auch als die speziellen zur Stelle q0 = 0 gehörigen Quotientenpolynome des Polynoms Pn(q) angesehen werden: In absteigender Reihenfolge (nn‑1, …, 1) er­gibt sich nämlich das (j‑1)-te Horner-Schema-Polynom Ej‑1(q) als das zur Stelle q0 = 0 gehörige Quo­tientenpolynom des j‑ten Horner-Schema-Poly­noms Ej(q). Mit Ej(0) = Xj gilt näm­lich  

                        \(E_{j-1}(q) = \dfrac {E_{j}(q)-X_{j}} {q} = \dfrac {E_{j}(q) - E_{j}(0)} {q - 0}\)           (n,…,1; q ≠ 0).

Allgemeiner lassen sich zu einer beliebig vorgegebenen Stelle q0 \( \in \mathbb{R}\) ausgehend vom Poly­nom

                        Pn(q) = X0qn + X1qn-1 +...+ Xn          (X0 ≠ 0)

und vom speziellen Polynomwert Pn(q0) in absteigender Reihenfolge für m = nn‑1, …, 1 rekursiv die Quoti­en­ten­polynome 

                       \(P_{m-1}(q) = P_{m-1}(q;q_0) \) = \(\dfrac {P_{m}(q) - P_{m}(q_0)} {q - q_0}\)\(\sum_{j=0}^{m-1} a_j^{(m-1)}q^{m-1-j}\)   

                                      = \(a_0^{(m-1)}q^{m-1} + a_1^{(m-1)}q^{m-2} + ... + a_{m-1}^{(m-1)}\)               (m = n,…,1; q ≠ q0)

vom Grad m‑1 bilden. Umgekehrt hat man bei bekanntem Quotientenpolynom Pm‑1(q) und Funktionswert Pm(q0) des Quotienten­poly­noms Pm(q) (m = 0,…,n) an der Stelle q0 auch in aufsteigender Reihenfolge eine Rekur­sions­for­mel für das Quotientenpolynom Pm(q):  

                        Pm(q) = (q - q0)Pm‑1(q) + Pm(q0)                                       (m = 1,…,n).

Durch Koeffizientenvergleich dieser auf den beiden Seiten der Gleichung stehenden Poly­nome erhält man die fol­gende Rekur­si­ons­formel zur Berechnung der von der Stel­le q0 ab­hän­gigen Koeffizienten \(a_j^{(m-1)} \)\(a_j^{(m-1)}(q_0) \) des Quotienten­po­ly­noms Pm‑1(q) = Pm‑1(q;q0) und des „Di­visions­restes“ Pm(q0) aus den Koeffizienten \(a_j^{(m)} \) des vor­her­gehenden Poly­noms Pm(q) (m = n,...,1):  

                      \(a_0^{(m-1)} = a_0^{(m)} (= \dots = a_0^{(n)} = X_{0} \neq 0)\),    

                      \(a_j^{(m-1)} = q_0a_{j-1}^{(m-1)} + a_j^{(m)}\)                      (j = 1,…,m‑1),                                           

                      \(a_m^{(m-1)} := P_m(q_0) = q_0a_{m-1}^{(m-1)} + a_m^{(m)}\).    

In einer schematischen Darstellung dieser rekursiven Berechnung der Koeffizienten \(a_j^{(m-1)} \) von Pm‑1(q) erhält man das zum Po­ly­nom Pm(q) und zur Stelle q0 gehörige und in Abbildung 1 dargestellte einfache Horner-Schema, das zur Be­rechnung des Po­lynom­werts Pm(q0) über die Zwischenergeb­nisse \(a_j^{(m-1)} \) dient.   

 

Abb. 1  Einfaches Horner-Schema

Abb. 1  Einfaches Horner-Schema für das Polynom Pm(q) und die Stelle q = q0 zur Berechnung des Polynomwerts Pm(q0) über die Zwischenergebnisse \(a_j^{(m-1)} \) (j = 0,...,m-1).

 

Speziell für m = n erfolgt mit dem Horner-Schema die Berech­nung des Poly­nom­werts Pn(q0) des Ausgangspolynoms Pn(q) an der Stelle q0 über die Zwi­schen­­ergebnisse \(a_j^{(n-1)} \) (= 0,…,n‑1). Die Koeffizienten \(a_j^{(n-1)} \) des Quotienten­poly­noms Pn‑1(q) berechnen sich dabei aus den Koeffizienten \(a_j^{(n)} \)Xj des Ausgangspolynoms Pn(q) mit der Rekursionsformel

                       \(a_0^{(n-1)} = X_{0}, \)    

                      \(a_j^{(n-1)} = q_0a_{j-1}^{(n-1)} + X_j\)                      (j = 1,…,n‑1),                                           

                      \(a_n^{(n-1)} := P_n(q_0) = q_0a_{n-1}^{(n-1)} + X_n \),     

welche mit der obigen Rekursionsformel der Horner-Schema-Polynomwerte Ej(q) an der Stel­le q0 über­ein­stimmt. Demnach stimmen die Koeffizienten \(a_j^{(n-1)} = a_j^{(n-1)}(q_0) \) des Quotienten­poly­noms Pn‑1(q) mit den speziellen Horner-Schema-Werten Ej(q0) überein:

                       \(a_j^{(n-1)} = E_j(q_0) \)  für j = 0,…,n‑1, 

                      \(P_n(q_0) = q_0a_{n-1}^{(n-1)} +X_n = E_n(q_0).\)     

Eine Anwendung dieser Eigenschaft für den Index m = n erfolgt unten beim Be­weis der Charak­te­ri­sie­rung eines Verrech­nungs­kontozins­faktors (VK-Zinsfaktors) q0 von En(q), d. h. einer Stelle \(q_0 \in \mathbb{R}\) mit 

                      En(q0) = 0, E(q0) = (E0(q0),…,En(q0))T \(\le\) O oder \(\ge\) O =(0,…,0)T  

durch das Auftreten von Quotientenpolynomkoeffizienten \(a_j^{(n-1)} \) ohne Vorzeichenwechsel. Als Folgerung erhält man hieraus noch die not­wen­dige Nichtpositivität der wei­teren reel­len Nullstellen der Endwertfunktion En(q) neben einem VK-Zinsfaktor q0 von X bzw. En(q). Außerdem wird eine Aussage über die Vielfalt der VK-Zinsfaktoren gefolgert.

Die Nacheinander­be­rech­nung der n Horner-Schemata für das Polynom Pn(q) zur Bestimmung der Koeffizienten der n Quo­tien­ten­polynome Pm-1(q) (m = n,…,1) zu einer fest vorgegebenen Stelle \(q_0 \in \mathbb{R}\) wird als voll­stän­diges Horner-Schema bezeichnet. Dabei werden also der Reihe nach für m = n,…,1 die Koeffi­zi­enten \(a_j^{(m-1)} \) des Quotientenpolynoms Pm‑1(q) und der Poly­nomwert Pm(q0) berechnet. Nach n Schritten erhält man das kon­stante Poly­nom P0(q\(\equiv \) \(a_0^{(0)} = X_0\) (\(\neq\) 0). In der Abbildung 2 ist eine komprimierte Darstellung des vollständigen Horner-Schemas angegeben, bei dem in der ersten Zeile die Koeffizienten Xj des Aus­gangs­polynoms Pn(q) = En(q) stehen und in den daruntergelegenen Zeilen jeweils die Koeffizienten \(a_j^{(m-1)} \) (j = 0,…,m‑1) des Quotientenpolynoms Pm‑1(q) und ganz rechts der Po­lynomwert Pm(q0) (m = n,…,1). In der ersten Zeile des kom­primierten Schemas stehen also die Koeffi­zienten Xj des Ausgangs­poly­noms Pn(q) und in der ersten Koeffi­zi­en­ten­spalte die Elemente \(a_0^{(m)} \) (m = n,…,0) mit dem Wert X0. Die übri­gen Elemente \(a_j^{(m-1)} \) des kom­pri­mierten Sche­mas erhält man, indem man jeweils zum q0‑fachen des links davon stehen­den Ko­effi­zien­ten \(a_{j-1}^{(m-1)} \) den darüberstehen­den Koeffizienten \(a_j^{(m)} \) addiert: \(a_j^{(m-1)} = q_0a_{j-1}^{(m-1)} + a_j^{(m)}\).      

Das vollständige Horner-Schema liefert also auch die Polynomwerte Pm(q0) (m = n,…,0) der Quotienten­poly­nome Pm(q) an der Stelle q0 und damit damit auch die Koeffizienten bj der Entwicklung von Pn(q) an der Stelle q0, d. h. der Darstellung als Polynom in u = q - q0 (bj := Pj(q0)), und die Ableitungen \(P_n^{(n-j)}(q_0)\)  der Polynomfunktion Pn(q) an der Stelle q0\(P_n^{(n-j)}(q_0)\) = (n-j)!bj = (n-j)!Pj(q0). Der Beweis hierfür wird in der PDF-Datei gegeben.  

 

Abb. 2 Vollständiges Horner-Schema

Abb. 2  Vollständiges Horner-Schema für das Polynom Pn(q) und die Stelle q = q0 zur Berechnung der Koeffizienten \(a_j^{(m)} \) der Quotientenpolynome Pm(q) (m = n-1,...,0) und der Polynomwerte Pm(q0) (m = n,...,0) in komprimierter Darstellung.

 

2     Entwicklung der Quotientenpolynome und deren k-ten Ableitungen an der Stelle q0  

Durch die Ausführung der n Divi­si­ons­schrit­te erhält man eine Darstel­lung des Polynoms

                        Pn(q) = \(\sum_{j=0}^{n} b_j(q-q_0)^{n-j}\)

als Polynom in u = q - q0 mit den Koeffizienten

                        bj := Pj(q0)                                    (j = 0,1,…,n).

Der Beweis erfolgt in der PDF-Datei mit der Rekursionsformel der Quo­ti­en­ten­polynome und dem Prinzip der voll­stän­di­gen Induk­tion.

Die Funktionswerte Pm(q0) der Quotientenpolynome Pm(q) (m = 0,1,…,n) an der Stelle qq0 stehen in enger Bezie­hung zu den Ableitungen des Ausgangspolynoms Pn(q) an dieser Stelle: Durch Koeffizientenvergleich der obigen Entwicklung von Pn(q) an der Stelle q0 mit der Taylor­ent­wick­lung 

                        Pn(q)\(\sum_{j=0}^{n} \frac{P_n^{(k)}(q_0)}{k!} (q-q_0)^{k}\)

der Funktion Pn(q) an der Stelle q0 erhält man nämlich für die k‑te Ableitung von Pn(q) an der Stelle q0 die Bezie­hung

                        \(P_n^{(k)}(q_0)\)  = k!bnk  = k!Pnk(q0)           für k = 0,1,…,n,

                        \(P_n^{(k)}(q_0)\)  = 0                                         für k > n.

Analog zum Ausgangspolynom Pn(q) erhält man auch für die Quotientenpolynome Pm(q) an der Stelle q0 die entsprechende Ent­wicklung  

                        Pm(q)   = \(\sum_{j=0}^{m} b_j(q-q_0)^{m-j}\)                  (m = 0,1,…,n)   

und für deren k‑te Ableitung bei q0 die Beziehung:

                       \(P_m^{(k)}(q_0)\) = k!bmk = k!Pmk(q0)           für k = 0,1,…,m; m = 0,…,n,

                       \(P_m^{(k)}(q_0)\) = 0                                          für k > m.

Durch k‑malige Differentiation der Entwicklung des Quotientenpolynoms Pm(q) an der Stelle q0 (als Polynom in u = q - q0) erhält man die entsprechende Entwicklung der k‑ten Ableitung \(P_m^{(k)}(q)\) des Quotientenpolynoms Pm(q):

                        \(P_m^{(k)}(q)\)\(\sum_{j=0}^{m} (m-j) \dots (m-j-k+1)b_j(q-q_0)^{m-j}\)          (u = q - q0, \(1 \le k \le m \le n\)).

 

3     Zwei Rekursionsformeln für die k-ten Ableitungen der Quotien­ten­­po­lynome

Aus der Rekursionsformel der Quotientenpolynome Pm(q) erhält man auch zwei Rekursions­for­­meln für die k‑ten Ab­lei­tun­gen  \(P_m^{(k)}(q)\) die­ser Polynome:  

              \(P_m^{(k)}(q)\) = \(kP_{m-1}^{(k-1)}(q) + (q-q_0)P_{m-1}^{(k)}(q)\)                                 (m = 1,…,n; k = 1,2,…), 

                       \(P_m^{(k)}(q)\)\(k \cdot\sum_{j=k-1}^{m-1} (q-q_0)^{j}P_j^{(k-1)}(q)\)                                  (m = 1,…,n; k = 1,2,…). 

Der Beweis erfolgt in der PDF-Datei mittels Differentiation und vollständiger Induktion. Dort werden auch zwei Rekursionsformeln für die k-ten Ableitungen der Horner-Schema-Polynome Em(q) bewiesen. 

 

4     Charakterisierung eines Verrechnungskontozinsfaktors mittels Quo­tien­ten­polynomkoeffizienten ohne Vorzeichenwechsel 

Bei der Beurteilung eines Zahlungsstroms \(\mathbf{X} \in \mathbb{R}^{n+1}\) hinsichtlich seiner Vorteilhaftigkeit mit­tels der klassischen Methode des internen Zinssatzes (MIZ) wird in der Literatur als Anwen­dungsbereich der MIZ gerne die Menge der Verrechnungskonto-Zahlungsströme (VK-Zahlungsströme, sog. isoliert durchführbare Zahlungsströme) angegeben. Dies sind Zahlungsströme X (X0,X1,…,Xn)T \(\in \mathbb{R}^{n+1}\) (X0  0), die einen internen Zinsfaktor q0q0(X) \(\in \mathbb{R}\) besitzen, dessen Horner-Schema-Vektor E(q0) keinen Vorzeichenwechsel aufweist:

                         q0 \(\in \mathbb{R}\) mit En(q0) = 0 , E(q0) = (E0(q0),…, En(q0))T   \(\le\) O oder \(\ge\) O.

Ein derartiger interner Zinsfaktor q0 wird hier als Verrechnungskontozinsfaktor (VK-Zinsfaktor) des Zahlungs­stroms X bezeichnet. Im Falle einer Investition X (X0 < 0) wird q0 auch als Anlage­zinsfaktor und im Falle einer Finanzierung X (X0 > 0) wird q0 auch als Dar­lehens­zins­faktor be­zeichnet.

Im Falle eines positiven VK-Zinsfaktors q0 ist dieser die einzige positive Nullstel­le, eine einfache Nullstelle und somit eine Vorzeichenwechselstelle der Endwert­funktion En(q). Im Falle eines nichtpositiven VK-Zinsfaktors q0 ist die Endwertfunktion En(q) auf der positi­ven Halbachse nullstellenfrei, sodass kein positiver interner Zinsfaktor existiert. Der Beweis dieser Aussagen erfolgt unten nach der Charakterisierung eines Verrechnungskontozinsfaktors. Auf diese VK-Zahlungsströme kann daher die MIZ mit der ihr eigenen Verwendung eines einzel­nen in­ternen Zinsfaktors problemlos in Konsistenz zur Kapitalwertmethode angewandt wer­den. Au­ßerdem ist für diese Zahlungs­ströme noch die beliebte ökono­mische Interpre­tierbar­keit des in­ternen Zinsfaktors q0 als der Konto­zins­fak­tor qKto eines Verrechnungskontos gegeben, auf welches der Zahlungs­strom ge­bucht wird und dessen Kontostände CjEj(q0) das Vorzeichen nicht wechseln. In der nachfolgenden Abbildung 3 erfolgt eine grafische Darstellung der Zahlungen Xj einer Finan­zierung X = (X0,…,Xn)T (X0 > 0) und der nichtnegativen Horner-Schema-Werte Ej(q0) zu einem positiven Darlehenszinsfaktor q0.  

 

Abb. 3  Nichtnegative Horner-Schema-Werte

Abb. 3  Grafische Darstellung der Zahlungen Xj einer Finanzierung X = (X0,X1,X2,X3)T \(\in \mathbb{R}^4\) und der nichtnegativen Horner-Schema-Werte Ej(q0) zu einem positiven Darlehenszinsfaktor q0

 

Eine funktionentheoretische Charakterisierung eines Verrechnungs­konto­zins­fak­tors q0 eines Zah­lungsstroms \(\mathbf{X} \in \mathbb{R}^{n+1}\) (X0 \(\neq\) 0) kann mittels der Koeffizienten des Quotientenpolynoms Pn-1(q) erfolgen:

Eine reelle Zahl q0 \(\in \mathbb{R}\) ist genau dann ein Ver­rech­nungskonto­zinsfaktor des Zah­lungsstroms \(\mathbf{X} \in \mathbb{R}^{n+1} (X_0 \neq 0)\), d. h.

                        En(q0) = 0 , E(q0)   \(\le\) O oder \(\ge\) O,

wenn die Koeffizienten aj (= \(a_j^{(n-1)} \) Ej(q0)) des zur Stelle q0 und zur End­wert­funk­tion En(q) = Pn(q) gehörigen Quo­ti­ent­en­­poly­noms  

                        Pn‑1(q) =  \(\dfrac {E_{n}(q) - E_{n}(q_0)} {q - q_0}\)\(\sum_{j=0}^{n-1} a_jq^{n-1-j}\)                       

keinen Vorzeichenwechsel haben:

                        a0 = X0 > 0, aj \(\ge\) 0  für j = 1,…,n‑1  oder

                        a0X0 < 0, aj \(\le\) 0  für j = 1,…,n‑1.

Der Beweis ergibt sich unmittelbar dadurch, dass die Koeffizienten aj des Quotien­ten­poly­noms Pn‑1(q) der Endwertfunktion En(q) und der Stelle q0 mit den Horner-Schema-Werten Ej(q0) der Stelle q0 überein­stimmen (siehe Abschnitt 1).

Die funktionentheoretische Be­deu­tung der Existenz eines Verrechnungs­konto­zins­fak­tors q0 des Zah­lungsstroms \(\mathbf{X} \in \mathbb{R}^{n+1} (X_0 \neq 0)\) liegt dem­nach in der Mög­lich­keit einer Pro­dukt­dar­stel­lung der End­wert­funk­tion

                        En(q) = En(q) - En(q0) = (q - q0)Pn‑1(q)

mit dem Linearfaktor q - q0 und einem Polynom Pn‑1(q) vom Grad n‑1, des­sen Koeffizient a0 zur höchsten Potenz qn‑1 von Null verschieden ist und dessen weitere Koeffizienten a1, …, an‑1 im Falle a0 > 0 alle nicht­nega­tiv und im Falle a0 < 0 alle nicht­positiv sind. Das Quotientenpolynom Pn‑1(q) zu einem beliebigen Verrechnungskontozinsfaktor q0 ist also stets nullstellenfrei auf \(]0,\infty[\): Beispielsweise gilt im Falle a0 = X0 > 0 die Abschätzung   

                        Pn‑1(q) ≥ a0qn-1 > 0 für q > 0.

Aus der Produktdarstellung En(q) = (q - q0)Pn‑1(q) folgt außerdem die folgende Aussage über die Nullstellenverteilung von En(q) auf der positiven Halbachse: 

Nullstellenverteilung der Endwertfunktion En(X,q) auf der positiven Halbachse \(]0,\infty[\) für einen VK-Zahlungsstrom X:

Im Falle eines positiven VK-Zinsfaktors q0 des Zah­lungsstroms \(\mathbf{X} \in \mathbb{R}^{n+1} (X_0 \neq 0)\) ist die Stelle q0 eine einfache Nullstelle und die einzige positive Nullstelle von En(q).  

Im Falle eines nichtpositiven VK-Zinsfaktors q0 ist En(q) nullstellenfrei auf der positiven Halbachse \(]0,\infty[\).  

Bei Existenz eines positiven VK-Zinsfaktors gibt es insbesondere keinen weiteren positiven VK-Zinsfaktor und bei Existenz eines nichtpositiven VK-Zinsfaktors gibt es gar keinen positiven VK-Zinsfaktor. Aufgrund dieser zweiten Aussage gibt es bei Existenz eines positiven VK-Zinsfaktors dann auch noch keinen nichtpositiven VK-Zinsfaktor. Insgesamt erhält man die folgende Aussage zur Vielfalt der VK-Zinsfaktoren:

Vielfalt der VK-Zinsfaktoren eines Zahlungsstroms:

Ein positiver VK-Zinsfaktor q0 des Zah­lungsstroms \(\mathbf{X} \in \mathbb{R}^{n+1} (X_0 \neq 0)\) ist stets auf ganz \(\mathbb{R}\) der einzige VK-Zinsfaktor von X.

Neben einem nichtpositiven VK-Zinsfaktor q0 gibt es keinen positiven VK-Zinsfaktor, also höchstens noch nichtpositive VK-Zinsfaktoren. Die Anzahl K der nichtpositiven VK-Zinsfaktoren kann dabei im Allgemeinen die Werte 1, 2, …, n-2, n annehmen.  

Diese letzte Aussage über die mögliche Anzahl der nichtpositiven VK-Zinsfaktoren eines Zahlungsstroms wird bewiesen im Thema ‚Verrechnungskontozinsfaktoren eines Zahlungsstroms‘. 

Aus der obigen Charakterisierung eines Verrechnungskontozinsfaktors ergeben sich auch noch weitere Folge­run­gen, insbesondere noch unter der zusätzlichen Voraussetzung eines nichtnegativen oder positiven Verrechnungskontozinsfaktors. Die Aussagen werden nachfolgend o. E. nur für einen nichtnegativen oder positiven Darlehenszinsfaktor formuliert, da sie analog auch für einen nichtnegativen oder positiven Anlagezinsfaktor gelten.      

 

5     Positivität aller Quotientenpolynome Pm(q) und der zugehörigen k-ten Ableitun­gen auf der positi­ven Halb­achse für einen nicht­nega­ti­ven Dar­lehens­zinsfaktor q0 

Für einen nicht­nega­tiven Dar­le­hens­zins­fak­tor­ q0 einer Finanzierung X (X0 > 0; En(q0) = 0, E(q0) \(\ge\) O) gelten für die Quo­tienten­poly­­nome Pm(q) (m = 1,…n‑1) und deren k‑ten Ab­lei­tungen \(P_m^{(k)}(q)\) bis zur Ord­nung k = m auf der positiven Halbachse \(]0,\infty[\) fol­gende Abschät­zungen:

                        P0(q)     \(\equiv\)  \(a_0^{(0)}\)  X0 > 0                                                               (m = 0),

                        Pm(q)   = \(\sum_{j=0}^{m} a_j^{(m)}q^{m-j}\)  \(\ge\) \(a_0^{(m)}q^m\)  > 0            für q > 0             (m = 1,…n‑1),

                        \(P_m^{(k)}(q)\) \(\sum_{j=0}^{m-k} (m-j) \dots (m-j-k+1)a_j^{(m)}(q-q_0)^{m-j-k}\) 

                                     \(\ge\)  \(m\dots (m-k+1)a_0^{(m)}q^{m-k}\)  > 0         für q > 0            (\(1 \le k \le m \le n-1\)).

Der Beweis dieser Aussagen wird in der PDF-Datei angegeben. Dort wird auch noch die Positivität der Horner-Schema-Polynome Em(q) und der k-ten Ableitungen \(E_m^{(k)}(q)\)  im Intervall qq0 für einen positiven Darlehenszinsfaktor q0 bewiesen.

In der Abbildung 4 sind zum positiven Darlehenszinsfaktor q0 = 1,10 der bereits für die Ab­bil­dung 3 verwendeten Finanzierung X = (X0,X1,X2,X3)T = (100;20;-73;-77)T die Endwert­funktion E3(q) und die auf der positiven Halbachse \(]0,\infty[\) positiven Quotienten­poly­nome Pj(q) (j = 0, 1, 2) dargestellt.  

 

Abb. 4  Endwertfunktion und Quotientenpolynome

Abb. 4  Grafische Darstellung der Endwertfunktion E3(q) und der auf \(]0,\infty[\) positiven Quotientenpolynome Pj(q) für eine Finanzierung X \(\in \mathbb{R}^4\) mit einem positiven Darlehenszinsfaktor q0